Segeln am Limit 2002

Der Törnbericht

Alles hatte gepasst. Die "Stern" des Segelclubs Alsterufer war reserviert. Mit dem Charterer vor uns hatten wir vereinbart, dass die Übernahme der Stern in Stockholm durchgeführt werden sollte. Der Charterer nach uns war bereit, die Stern in Südschweden zu übernehmen. Alles war also organisiert für unseren Törn durch die schwedischen Schären und finnischen Aland-Inseln. Gotland und Öland schienen bereits erobert. Doch alles sollte ganz anders kommen...

Denn unserem Vorgänger, einem Vereinsneuling, fehlte noch der SKS-Schein. Anstatt diesen zu machen, entschloss er sich jedoch wankelmütig, es sofort mit dem Sportsee-Schifferschein (SSS) zu versuchen. Erwartungsgemäß fiel er jedoch gleich in mehreren Fächern durch die Prüfung, so dass die Stern keinen Charterer mehr hatte, der sie nach Stockholm bringen wollte. Was nun?

Glücklicherweise gelang es uns durch einige Terminverschiebungen und einigen Organisationsaufwand, Hans-Jürgen Rehberg davon zu überzeugen, die Stern nach seinem einwöchigen Törn Ende Juni / Anfang Juli in der Gegend von Kopenhagen zu übergeben. Der Plan war somit, die dänische Südsee von Kopenhagen aus zu erkunden. Wir wollten zunächst an der Nordküste Seelands entlang, später durch einen der Belte und langsam wieder Richtung Großenbrode zurück.

 

Der zweiwöchige Törn führte die Stern und ihre Besatzung fast durch die gesamte dänische Südsee (Großes Bild)

 

Obwohl Hans-Jürgen mit seiner Crew die ersten drei bis vier Tage in Großenbrode mit jeweils über acht Beaufort eingeweht war und nicht einmal den Hafen verlassen konnte, gelang es ihm in den nachfolgenden drei Tagen, bis nach Köge (ca. 20sm südwestlich von Kopenhagen) vorzustoßen. Nachher weiß man halt, auf wen man sich verlassen kann.

 

Wir gehen am Freitagnachmittag (05.06.02) an Bord der Stern. In Großenbrode hatten wir zuvor noch die ausgebaute Heizung der Stern mitgenommen. So ist, wie auf vielen Segeltörns, vor dem Vergnügen erst einmal basteln angesagt. Nach dem Einbau ist die Heizung zumindest festgeschraubt und kann keinen Schaden anrichten. Leider funktioniert sie nicht. Glücklicherweise ist ja Sommer.

 

Heizungseinbau in Köge

 

Am nächsten Tag ist das schöne Wetter vom Freitag leider verflogen. Hochnebel mit Flaute aus Süd. Um den Tag wenigstens noch ein wenig nutzen zu können, starten wir den Diesel und setzen uns nach Bröndby in Bewegung, wo es laut Hafenhandbuch einen S-Bahn-Anschluss nach Kopenhagen gibt. Als kleine Unterhaltungseinlage beim langweiligen Dieseln geht mehrfach die Boje von Bord. Nach anfänglichen Schwierigkeiten wird sie von allen Crewmitgliedern sicher wieder eingeholt.

 

Die Stern in Bröndby

 

In Bröndby klart das Wetter schlagartig auf und beschert uns eine wunderbare Stadtbesichtigung in Kopenhagen.

Thomas kauft im Tivoli die erste Zuckerwatte seines Lebens und ist begeistert.

 

So schön kann segeln sein – Thomas und Matthias beim Tivoli-Besuch in Kopenhagen

 

Die späte Rache der Dänen: Smörrebrödpreise in Kopenhagen

 

Der nächste Tag war führt uns durch das Öresund-Fahrwasser auf die schwedische Insel Ven. Der idyllische Hafen empfängt uns bei schönstem Sonnenschein. Wir beschließen: wenn es weiter so geht, kann nichts mehr schief gehen.

 

Hafeneinfahrt Kyrkbacken, Insel Ven

 

Ven gehört zu Schweden

 

Direkt hinter dem Hafen befindet sich eine Steilküste mit einer Kirche, die nach Erkundung ruft. Von oben aus hat man einen wunderbaren Blick auf den Sund und den Hafen von Kyrkbacken.

 

Idyllisch: Der Hafen von Kyrkbacken

 

Am nächsten Tag brechen wir früh auf, weil wir uns für heute eine ordentliche Strecke vorgenommen haben. Wind und Wetter sind ideal: 4-5 Windstärken aus Südost. Die frühmorgendliche Diesigkeit verfliegt rasch. Wir passieren nach gut einer Stunde bereits Helsingör.

 

Helsingör

 

Insgesamt laufen wir bei strahlendem Sonnenschein satte 49 Meilen in gut sieben Stunden – einschließlich an- und ablegen! Unser Ziel, der Hafen Hundested, ein Fischereihafen am Ausgang des Isefjords, empfängt uns mit freundlichen Leuten und Fischgeruch.

Am nächsten Tag lassen wir es zunächst ruhig angehen. Wir laufen ein paar Meilen in den Isefjord, um am Badestrand von Lynäs, einem kleinen Yachthafen südlich von Hundested, ins Wasser zu springen.

Später, des Badens überdrüssig folgen wir bei Raumwind aus Südost dem Küstenverlauf Seelands bis Odden Havn auf der Halbinsel Seelands Odde. Der frische Wind aus Südost beschert uns ähnliche Traumgeschwindigkeiten wie gestern.

 

Raumer Wind mit 5 Beaufort: Konzentration trotz Bullentalje

 

In Odde Havn wird erstmalig der dänische Einweg-Grill ausprobiert. Die Crew ist sich einig: hier kann der Däne neben seiner Expertise für Mayonnaise und Pölser klar punkten. Einsame Spitze, die Dinger. Wir kaufen im Shop für den restlichen Törn noch weitere von diesen Grills nach.

 

Danske High-Tech: Der Einweg-Grill

 

Der folgende Tag ist geprägt von Regen und Flaute, so dass wir im Wesentlichen unter Maschine nach Samsö laufen müssen. Der Hafen von Ballen ist die Mühe jedoch wert. Die Stimmung im Hafen ist einmalig. Dies liegt an der Enge, die in dem völlig überlaufenen, aber sehr idyllischen Hafen herrscht. Die Stern liegt im Achterpäckchen als zweites Boot an der Pier.

Zum Leidwesen aller seewärts anliegenden Boote sind wir am nächsten Morgen die ersten, die aufbrechen wollen. Wir wollen Strecke machen, und da muss der Däne sein Frühstück wohl ein bisschen vorverlegen…

 

Im Achter-Päckchen: Ballen auf Samsö

 

In der Rückseite der nächtlichen Gewitterfront, die über Dänemark hinweg gezogen war, bringt der klare Tag perfekten Wind auf unserer Reise den großen Belt hinunter.

 

Perfektes Segelwetter: Mit 4 Windstärken auf Halbwindkurs

 

Unser Ziel heißt Kerteminde. Die Crew ist vom letzten Abend auf Samsö zwar noch etwas mitgenommen aber gut gelaunt.

 

Müde...

 

...aber immer gut drauf

 

Ungünstigerweise löst sich beim Großsegelsetzen die Ummantelung des Großfalls vom Inneren der Leine. Durch geschicktes Abkleben des Mantels und durch Annähen an die Seelen gelingt es aber, das Segel noch einmalig zu setzen, später bei auffrischendem Wind zu reffen und abschließend zu bergen. Im Hafen von Kerteminde wird ein Ersatzfall eingeschert.

 

Großfall-Reparatur in Kerteminde

 

Anschließend ist erst einmal Zeit, um Kontakt mit der Heimat aufzunehmen.

 

Nach Hause Telefonieren in Kerteminde: „Ja Mutti… die Socken sind wirklich warm genug... nein, wir segeln bestimmt nicht da wo's tief ist...“

 

Am Freitag morgen geht es dann bei zunächst schwachem Wind Richtung Brücke. Der Südwind frischt bald auf, so dass wir trotz Kreuzkurs vernünftig Höhe laufen können.

 

Gigantisch: Die Brücke über den Großen Belt

 

Der Erlebnis der Querung der Brücke können wir jedem empfehlen. Gigantisch und schön zugleich!

 

Nach vorn geht der Blick, zurück darf kein Seemann schau'n...

 

Ein Netter Abschluss dieses schönen Segeltages ist der Hafen von Lohals auf Langeland. Die Station ist gleichzeitig der Endpunkt der ersten Woche.

 

Sonnenuntergang in Lohals

 

Am Samstag Vormittag wird dann ein teilweiser Crewwechsel vorgenommen: Guido geht von Bord, dafür besteigen Lars und Mücke die Stern. Dazu setzen wir kurz von Lohals nach Lundeborg auf Fünen über.

 

Natürlich wird der restliche Samstag noch verwendet, um Strecke zu machen. Wir sind ja nicht zum Vergnügen hier! Bei strammen Ost können wir unter Segel durch den Svendborg-Sund laufen. Die Maschine wird, Petrus sei Dank, nicht ein einziges mal angeworfen.

 

Svendborg-Sund: ob Janosch seine Panama-Bücher hier abgemalt hat?

 

So sind die Neuankömmlinge Mücke und Lars auch vollends zufrieden, als wir abends in Faborg die Leinen fest machen. Besser kann der Törn für sie nicht anfangen. Die Stadt Faborg ist interessant und bietet einiges an historischen Gebäuden und interessanter nautischer Architektur. Beispielsweise findet man einen in den Gehsteig eingelassenen Wikinger-Drachen.

 

Interessante Stadtarchitektur in Faborg

 

Der nächste Tag fängt schwach an, lässt dann aber stark nach. Nachdem wir zunächst mit drei bis vier Windstärken noch ein wenig Strecke Richtung Kleiner Belt und Alssund machen, hört der Wind nach der Querung des Kleinen Beltes ganz auf zu blasen. Der Diesel schiebt uns bei quälender Hitze in die Ankerbucht von Dywig.

Da wir kein Dingi an Bord haben, legen wir am Steg von Mjels Vig an. Sonst wäre sicherlich der Anker dran gewesen.

 

Stern in Mjels Vig

 

Am Steg passiert es dann Schlag auf Schlag: zweimal Mann über Bord innerhalb von fünf Minuten. Zuerst Anke, die den Warnhinweis „Achtung! Badeleiter nur angeklickt“ selbstbewusst ignoriert und auf die oberste Sprosse der nach oben geklappten Leiter steigt um kurz einmal die Wassertemperatur mit dem Zeh zu ertasten. Die Wassertemperatur erfährt sie dann am ganzen Körper, da die Badeleiter sich binnen Zehntelsekunden samt Anke außenbords klappt. Der Stunt zieht erste Schaulustige an.

Wenige Minuten später, noch halb im Lachkrampf von Ankes Badeleiter-Vorführung, dann Lars: Beim übersteigen an den Steg verfehlt ein Fuß den Steg und landet statt dessen im Wasser. Von Lars guckt nur noch die Hand aus dem Wasser, mit der er sich krampfhaft am Bugkorb festzuhalten versucht. Daraufhin dankbares Geklatsche für das interessante Abendprogramm von allen umgebenden Booten.

Am nächsten Morgen wird früh abgelegt, um die vorbestellten Brötchen von der nahen Bäckerei in Dywig abzuholen. Der Anker fällt kurze Zeit später außerhalb des Binnensees, wo erstmal in Ruhe gefrühstückt wird.

 

Vogelscheuche der Raubvogelklasse: Thomas mit Klingonen-Shirt

 

Malerisch aber windstill verläuft die weitere Reise durch den Alssund bis Sonderburg.

 

Malerisch: Alssund

 

Das Tagesziel Flensburg wird wegen der Flaute aufgegeben. Stattdessen dieseln wir nach Sonderburg. Hier gibt es schon wieder deutsches Handy-Netz und RSH auf UKW.

 

Zwangstop in Sonderburg wegen Flaute

 

Am nächsten Tag hat uns Deutschland dann wieder. Etwas wehmütig laufen wir in die Schleimündung ein.

 

Zurück in Deutschland: Schleimünde

 

Idyllisch aber sehr deutsch empfängt uns dann Maasholm. Überall hängen Verbotsschilder. Segler beschimpfen sich lauthals, weil der eine in die Box des anderen eingefahren ist und nicht einsieht, wieder herauszufahren. Schon gar nicht, wenn der andere so laut schreit. Keiner lacht, keiner lächelt.

 

Einziger Lichtblick sind dann ein paar Dänen, die mit ihrer Yacht in den fast vollen Hafen einlaufen. Wir winken ihnen zu, dass Sie zu uns längsseits kommen sollen. Nachdem die Leinen fest sind, weisen wir die netten Dänen vorsichtig darauf hin, dass ihre Gastlandflagge falsch herum hängt (gold oben, schwarz unten). Das finden wir eigentlich ganz lustig weil unverkrampft. Trotzdem kommen wir uns wegen des Hinweisens schon so spießig wie die anderen Deutschen im Hafen vor.

 

Möwe in Maasholm

 

Die nette Abendstimmung lässt uns den spießigen Charakter des Hafens dann aber vergessen.

 

Abendstimmung in Maasholm

 

Der nächste Tag beginnt gleich stürmisch. Wir gehen direkt ins Reff, nachdem wir die Schlei verlassen wird das zweite Reff durchgeholt und die Lifebelts festgezurrt. Auf See wird es ungemütlich, wir liegen mit sechs Windstärken stark rollend vor dem Wind.

 

Auf halber Strecke nach Kiel fangen wir dann eine Windwarnung vom Deutschen Wetterdienst auf. Ohne lange Diskussion setzen wir Kurs auf den nächsten Hafen ab. Als in Wendtorf die Stern bei Sturmstärke in der Box fest liegt, sind alle erleichtert.

 

Der nächste Tag bringt dann in ganz Norddeutschland starke Überschwemmungen. Im Ort Wendtorf herrscht Großeinsatz von THW und Feuerwehr. Das ganze Dorf ist einen Meter hoch überflutet. Wir bleiben bis auf einen kurzen Spaziergang am Nachmittag auf unserer Arche.

 

Weltuntergang in Wendtorf

 

Der letzte Tag, Freitag, beginnt dann mit Nebel und Flaute. Wir laufen unter Motor Richtung Fehmarn. Der Törn geht zu Ende.

 

Home Sweet Home: Der Fehmarnsund

 

Alle sind begeistert und planen bereits den Sommer-Törn für nächstes Jahr. Dann soll es endlich von Stockholm nach Finnland gehen.